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Brücke zwischen Ost und West

75 Jahre Beziehungen Schweiz-China: Hermann Hesse als Symbol des kulturellen Dialogs Exklusiv

Quelle: german.china.org.cn

30.09.2025

Von Ren Bin, Beijing

Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und China wurde Hermann Hesse in der Schweizer Botschaft in Beijing als kultureller Brückenbauer gefeiert. Experten beleuchteten, wie Hesses respektvolle und ebenbürtige Auseinandersetzung mit chinesischer Philosophie bis heute als Vorbild für den interkulturellen Dialog dient.

 

Im Rahmen der Feier zum 75. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Schweiz und China fand am vergangenen Freitag in der Residenz des Schweizer Botschafters in Beijing eine hochkarätige Kulturveranstaltung statt. Unter dem Titel „Hermann Hesse – die kulturelle Brücke zwischen Ost und West“ versammelten sich Experten und Literaturinteressierte aus China, der Schweiz, Deutschland und Österreich, um die vielschichtigen Verbindungen des deutsch-schweizerischen Schriftstellers zur asiatischen und europäischen Kultur zu erörtern.

 

Botschafter Jürg Burri betonte in seiner Eröffnungsrede die Bedeutung der Veranstaltung im Rahmen des chinesisch-schweizerischen Kultur- und Tourismusjahres. Die Schweiz sei nicht nur das Land großer Schriftsteller wie Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und Jeremias Gotthelf, sondern auch ein Ort der Offenheit, der Künstler aus aller Welt anziehe. Der Nobelpreisträger Hermann Hesse, der sich intensiv mit asiatischer Philosophie auseinandersetzte und 1924 die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt, passe daher perfekt in diesen Rahmen, um den geistigen Austausch zu fördern.

Den inhaltlichen Auftakt machte Ma Jian, Professor der Peking-Universität. Er verortete Hesse an einem „kulturellen Scheideweg“ zwischen Ost und West sowie Vergangenheit und Gegenwart. Besonderes Interesse weckte seine Analyse der gemeinsamen Wertschätzung, die Hermann Hesse und der einflussreiche chinesische Schriftsteller Lu Xun dem belgischen Holzschneider Frans Masereel entgegenbrachten. Während Hesse ein Vorwort für Masereels Werk verfasste, war es Lu Xun, der dessen Kunst in den 1930er Jahren in China einführte und damit die moderne chinesische Holzschnittbewegung entscheidend prägte. Ma hob hervor, dass diese parallele Anerkennung eine bemerkenswerte Konvergenz der ästhetischen Auffassungen zwischen Ost und West aufzeige und beweise, wie Kunst universelle menschliche Erfahrungen vermitteln könne.

Anschließend beleuchteten zwei Referenten aus der Schweiz die tiefen Wurzeln Hesses in der Basler Kultur. Christina Qu, Vorstandsmitglied der schweizerischen Hermann-Hesse-Gesellschaft, schilderte Hesses prägende Jahre in Basel. In seiner Kindheit wurde er durch das internationale Netzwerk der Basler Mission früh mit indischen und anderen Kulturen konfrontiert, was seine Weltoffenheit förderte. Als junger Erwachsener saugte er das reiche Kulturleben der Stadt auf, das seine Entwicklung zum Dichter maßgeblich beeinflusste. Lukas Ott, Leiter der Stadtentwicklung des Kantons Basel-Stadt, spannte einen Bogen von der pietistischen Ethik, die das gesellschaftliche Leben in Basel historisch formte, zur modernen Stadtentwicklung. Er erklärte, wie Werte wie Vertrauen, Bildung und Zuverlässigkeit zur Grundlage des wirtschaftlichen und sozialen Erfolgs der schweizerischen Stadt wurden. Hesse, aufgewachsen in diesem von Pflichtgefühl und Weltoffenheit geprägten Umfeld, habe die Spannung zwischen Tradition und individuellem Streben in seinem Werk verarbeitet.

Begleitet von den musikalischen Darbietungen des Studentenorchesters der Peking-Universität war die Veranstaltung mehr als eine literarische Hommage: Sie symbolisierte auch die lebendigen Beziehungen zwischen den beiden Nationen.

 

Laut dem Hesse-Forscher Ma fand die Veranstaltung zum richtigen Zeitpunkt statt. Die Haltung Hesses gegenüber dem Osten sei für ihn ein beispielhaftes Vorbild bei internationalen Begegnungen gewesen. „Er zeichnete sich durch Respekt und Beobachtung auf Augenhöhe aus – eine Seltenheit unter europäischen Intellektuellen seiner Zeit“, erklärte Ma im Gespräch mit China.org.cn. Der deutsch-schweizerische Schriftsteller, Dichter und Maler habe keinerlei eurozentrischen Hochmut besessen. Das habe auch zu seinem tiefen Verständnis für östliche Kulturen beigetragen. So habe er sich mit der chinesischen Philosophie auseinandergesetzt und eine starke Resonanz zu seinen eigenen Gedanken gefunden. „Es war für ihn wie eine Ermutigung“, führte der Professor aus, „als hätte die chinesische Weisheit ihm den entscheidenden Impuls für seine Ratschläge an die Welt gegeben.“

Die Schweizer Botschaft feiert das Jubiläum in diesem Jahr mit einem umfangreichen Kultur- und Tourismusprogramm. Über 30 Kulturanlässe in mehr als zehn Städten umfassen eine Gastro-Woche mit Schweizer Spezialitäten, Konzerte – darunter ein gemeinsames Konzert eines chinesischen Streichorchesters mit traditionellen Instrumenten und eines Schweizer Sinfonieorchesters – sowie zahlreiche Kunstausstellungen. Zu diesen zählen die Schweizer Comics Show im Tsinghua-Museum, die Ausstellung von Pipilotti Rist im Union Center und eine künstlerisch gestaltete Schau zur Weltraumforschung im Nationalmuseum am Tian’anmen-Platz.

Nach der Veranstaltung erklärte der Schweizer Botschafter in China, dass die modernen Brücken zwischen Ost und West „weit über die Literatur hinausgehen [...]: Es geht nicht nur um Kultur, sondern auch um Handelsbeziehungen. Wir haben sehr viele Schweizer Produkte auf dem chinesischen Markt und umgekehrt.“ Gegenseitige Investitionen von Unternehmen seien „sehr wichtig, denn in einer Schweizer Firma, die hier produziert, lernen wir auch die chinesische Kultur sehr gut kennen.“

Laut Burri spielt auch der Tourismus eine besonders wichtige Rolle für die bilateralen Beziehungen. Er begrüßt es, wenn chinesische Touristen neben den Alpen und Großstädten auch kleinere Schweizer Ortschaften besuchen, wo man bäuerliche Kultur erleben und Spezialitäten probieren kann. Durch Chinas neue Visafreiheit für Schweizer Bürger habe die Reise in die Volksrepublik zudem noch einen Schub erhalten. „Ich persönlich habe mehr Gäste aus der Schweiz“, bemerkte der Botschafter. „Wir begrüßen das sehr.“

Mit Blick auf die Zukunft zeigte sich der Botschafter optimistisch und ambitioniert. „Wir haben ein sehr reiches Menü“, sagte er mit Blick auf das Jubiläumsjahr. In den kommenden Monaten sollen die Verhandlungen zur Verbesserung des bestehenden Freihandelsabkommens Priorität haben. Und seine Hoffnung reicht über die bilateralen Beziehungen hinaus: „Vielleicht gibt es einmal eine Zusammenarbeit zwischen Schweiz und China zur Lösung einer der zahlreichen Konflikte auf dieser Welt,“ so der Schweizer Botschafter im Gespräch mit China.org.cn.

CMQ.

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